Wir brauchen Landfläche ja, um Nahrungsmittel zu erzeugen. Heute hungern aber rund 9% der Menschheit und am Amazonas brennt es (#1, #2). Um alle Menschen satt zu bekommen, benötigen wir also mehr Ackerland.
In Zukunft wollen wir auch auf fossile Rohstoffe verzichten. Für Flugzeuge und Schiffe können wir dann Biokraftstoffe nutzen (#3). Kunststoffe sollen Bio-Kunststoffe sein (#4).
Die Landwirtschaft soll nachhaltiger werden, Bio-Landbau braucht aber 15% mehr Landfläche (#5). Zudem soll der Artenvielfalt noch mehr Raum gegeben werden.
Laut Weltklimarat müssen wir sogar Kohlendioxid wieder aus der Atmosphäre entfernen, um das Klima zu retten (#6). Dazu kann Aufforstung von Wäldern nennenswert beitragen (#7).
Für alles das brauchen wir mehr fruchtbare Landfläche. Die gibt es aber nicht.
Und dabei hat die Landwirtschaft ihre Produktivität in den letzten 40 Jahren sogar verdoppelt (#2). Dummerweise frisst das schnelle Anwachsen der Weltbevölkerung – im wahrsten Sinne des Wortes – viel von diesem landwirtschaftlichen Fortschritt immer wieder auf (#1).
Trotz dieser zunehmenden Anforderungen kann die Landwirtschaft alles das für uns leisten. Eine Voraussetzung dafür ist aber, dass wir auf tierische Nahrungsmittel verzichten (#8, #9). Das liegt daran, dass wir heute auf 80% der landwirtschaftlichen Fläche Tiere produzieren, die aber nur 18% unserer Kalorien liefern (#2). Tierproduktion ist also extrem ineffizient. Nur dann, wenn wir auf diese ineffiziente Produktion verzichten, kann es überhaupt gelingen, dass wir auf der verfügbaren Landfläche alles das nachhaltig erzeugen, was wir für ein gutes Leben für alle Menschen auf dieser Erde benötigen (#10).
Mehr zu diesem Thema
#1 UN DESA, World Population Prospects, https://population.un.org/wpp/
#2 UN FAO, FAOSTAT, http://www.fao.org/faostat/en/#data/
#3 Schiffe und Flugzeuge können nach heutigem Stand der technischen Entwicklung nur mit flüssigen Treibstoffen angetrieben werden. Alternativ zu bio-basierten Kraftstoffen sind solche denkbar, die aus Kohlendioxid gewonnen werden, der in den benötigten großen Mengen in einer dekarbonisierten Welt aus der Atmosphäre abgetrennt werden muss. Das wiederum benötigt erhebliche zusätzliche Mengen an erneuerbarem Strom, die selbst nach optimistischen Schätzungen mindestens doppelt so viel erneuerbaren Strom benötigen, wie seinerzeit bei der Produktion des Kohlendioxids durch Verbrennung in Kohlekraftwerken erzeugt wurde (von einer Firma, die entsprechende Technologie vertreiben möchte: D.W. Keith, G. Holmes, D. St. Angelo, K. Heidel, 2018: A Process for Capturing CO2 from the Atmosphere. Joule 2, 1573-1594, https://doi.org/10.1016/j.joule.2018.05.006). Das ist ein erheblicher Ressourcenbedarf, der bei biobasierten Kraftstoffen nicht auftritt.
#4 Selbst mit erhöhter Recyclingrate bleibt absehbar ein nennenswerter Bedarf an frischen Kunststoffen. Alternativ kann wiederum Kohlendioxid genutzt werden, mit den entsprechenden Konsequenzen (#3).
#5 E. Malézieux, C. Lesur-Dumoulin, T. Ben-Ari, C. Langlais, D. Makowski, 2018: Yield variability in organic versus conventional systems: a meta-analysis for horticultural systems. PS-8.1-02. In: Book of abstracts of the XV European Society for Agronomy Congress: „Innovative cropping and farming systems for high quality food production systems“. Agroscope. Genève: Agroscope, Résumé, p. 52. European Society for Agronomy Congress (ESA 2018). 15, Genève, Suisse, 27 August 2018/31 August 2018. https://agritrop.cirad.fr/588921/
K. Mondelaers, J. Aertsens, G. Van Huylenbroeck, 2009: A meta-analysis of the differences in environmental impacts between organic and conventional farming“, British Food Journal 111(10) 1098-1119. http://dx.doi.org/10.1108/00070700910992925
#6 IPCC, 2018: Global Warming of 1.5°C. An IPCC Special Report on the impacts of global warming of 1.5°C above pre-industrial levels and related global greenhouse gas emission pathways, in the context of strengthening the global response to the threat of climate change, sustainable development, and efforts to eradicate poverty [Masson-Delmotte, V., P. Zhai, H.-O. Pörtner, D. Roberts, J. Skea, P.R. Shukla, A. Pirani, W. Moufouma-Okia, C. Péan, R. Pidcock, S. Connors, J.B.R. Matthews, Y. Chen, X. Zhou, M.I. Gomis, E. Lonnoy, T. Maycock, M. Tignor, and T. Waterfield (eds.)]. In Press, https://www.ipcc.ch/sr15/.
#7 Aufforstung ist die preiswerteste Option für sogenannte negative Emissionen, die bereits heute im benötigten Maßstab umsetzbar ist und auch gesellschaftlich akzeptiert wird (J.C. Minx et al., 2018: Negative emissions – Part 1: Research landscape and synthesis. Environ. Res. Lett. 13, 063001. https://doi.org/10.1088/1748-9326/aabf9b).
#8 A. Pfennig, 2019: Sustainable Bio‐ or CO2 economy: Chances, Risks, and Systems Perspective. ChemBioEng Reviews 6(3), 90-104. http://dx.doi.org/10.1002/cben.201900006.
A. Pfennig, 2019: Klima-Wende-Zeit: Warum wir auch bei Ernährung und Entwicklungshilfe umdenken müssen. Books on Demand, Norderstedt, http://hdl.handle.net/2268/242314.
#9 Eine weitere Voraussetzung ist, dass das Wachstum der Weltbevölkerung zukünftig abnimmt, was letztendlich eine ökonomische Entwicklung heute weniger entwickelter Staaten voraussetzt. Bei den Landflächenbilanzen (#8) wurde aber z.B. optimistisch vorausgesetzt, dass die landwirtschaftliche Produktivität sowohl bei Feldfrüchten als auch bei der Produktion von Tieren wie in der Vergangenheit stetig zunimmt, wobei z.B. bereits heute in Europa durch den Klimawandel eine Abnahme der Produktivität z.B. bei Weizen beobachtet werden kann (#2).
#10 Selbst, wenn die genannten Bedarfe, die mit Kohlendioxid aus der Atmosphäre bedient werden können (#3, #4), dies auch realisieren und der Landflächenbedarf entsprechend abnimmt, und selbst, wenn die optimistischen Annahmen bei den Landflächenbilanzen (#9) eintreffen, muss der Konsum tier-basierter Nahrungsmittel erheblich eingeschränkt werden. Wenn die Weltbevölkerung entsprechend ungünstiger Szenarien wächst, reicht die Landfläche trotz der optimistischen Annahmen nicht aus, um alle Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. Und selbst, wenn sich die Zukunft entsprechend aller optimistischen Annahmen entwickelt, wäre es ja kein Schaden, wenn die Menschheit einen größeren Abstand zu den planetaren Grenzen wahren würde. Gerade auch die Konsequenzen der COVOD-19-Pandemie lehren, dass eine gewisse sogenannte Resilienz, also die Fähigkeit auch auf unerwartete negative Ereignisse angemessen reagieren zu können, nicht schädlich ist. Mit weniger Konsum tierbasierter Nahrungsmittel könnten den zunehmenden Hungersnöte, die aktuell befürchtet werden, leichter begegnet werden.